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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 18.07.2001
Aktenzeichen: 7 U 125/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 847
Erweckt ein unbeteiligter Dritter den Verdacht, er sei die von den Polizeibeamten gesuchte, einer Straftat verdächtige Person, so steht ihm aufgrund der daraufhin gegen ihn ergriffenen Maßnahmen kein Schadensersatzanspruch - gleich aus welchem Rechtsgrund - zu, sofern diese Maßnahmen gegenüber dem Verdächtigen zulässig wären und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

7 U 125/00

Verkündet am: 18. Juli 2001

In Sachen

wegen Schadensersatz

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2001 durch

Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 13.07.00 - 3 O 243/99 - wir zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat aber aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt und auf die Bezug genommen wird, keinen Erfolg. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

I.

Die von Dr. E. am 05.05.97 attestierten Verletzungen sind dem Kläger nicht rechtswidrig und schuldhaft beigebracht worden, sodass ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers ausscheidet. Der Kläger war aufgrund seines Verhaltens einer Straftat verdächtig. Die Polizei und Zollbeamten durften ihn deshalb nach § 163 b StPO festhalten und, da der Kläger sich heftig wehrte auch nach § 8 UZwG fesseln. Aufgrund der Umstände bestand der Verdacht, dass es sich bei dem Kläger um T. O. B. handelte, gegen den der Verdacht von Verstößen gegen das Waffengesetz bestand. Der Zeuge E. hat ausgesagt, der Kläger habe auf die Frage, ob er T. B. sei, mit "ja" geantwortet. Das Gericht hat keinen Anlass, dem Zeugen E. nicht zu glauben. Die Ehefrau des Klägers war bei diesem Vorfall nicht dabei und konnte dazu nichts sagen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch nicht ausgeschlossen, mit "ja" zu antworten, wenn man etwas nicht verstanden hat. Zum einen steht nicht fest, dass der Kläger den Polizeibeamten nicht verstanden hat, zum anderen ist es auch möglich und kommt auch häufig vor, dass jemand eine Frage, die er nicht genau verstanden hat auf gut Glück mit "ja" beantwortet. Der Kläger hat sich weiter dadurch verdächtig gemacht, dass er weggelaufen ist und sich eingeschlossen hat, obwohl es sich bei den Verfolgern jedenfalls teilweise um uniformierte und daher als solche zu erkennende Polizeibeamte handelte. Schließlich wurde er am Tor des Grundstücks Bruchhausen Nr. 6, das durchsucht werden sollte angetroffen und wo T. O. B. wohnte, und zwar zu einer Zeit früh am Morgen, zu der dort nicht unbedingt mit fremden Personen gerechnet werden musste. Aufgrund dieser Umstände durften die Beamten davon ausgehen, dass der Kläger der Verdächtige war. Da eine schnelle Reaktion geboten war, mussten sie den Kläger auch nicht mit einem möglicherweise in den Akten sich befindenden Foto des Verdächtigten vergleichen. Auch der Umstand, dass der Kläger nach seiner Ehefrau rief, ändert nichts. Bei der im Haus Nr. 6 a anwesenden Frau konnte es sich um eine Bekannte des Klägers handeln.

Angesichts der heftigen Gegenwehr des Klägers waren Handlungen, die zu den im Attest von Dr. E. beschriebenen Verletzungen führten, nicht unverhältnismäßig. Insbesondere die Einschnitte im Bereich der Handgelenke sind ohne weiteres auf das Anlegen der Handschellen, dass nach § 8 Abs. UZwG zulässig war, zurückzuführen. Zu Recht hat das Landgericht auch darauf hingewiesen, dass die von Dr. E. attestierten Verletzungen auch auf der Gegenwehr des Klägers beruhen können.

Die Beamten haben auch nicht durch die Dauer der gegen den Kläger gerichteten Maßnahme gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.

Stellt sich heraus, dass es sich bei der gefassten Person nicht um den Gesuchten handelt, gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die getroffene Maßnahme - soweit das im Einzelfall noch möglich ist - aufzuheben, sobald der Sachverhalt aufgeklärt ist (OLG Karlsruhe OLGR Karlsruhe 2001, 216) unstreitig haben die Beamte dem Kläger unverzüglich die Handschellen abgenommen und ihn freigelassen, als sich durch die Angaben der Ehefrau des Klägers herausgestellt hatte, dass es sich nicht um T. O. B. handelte.

Hinsichtlich der darüber hinaus vom Kläger behaupteten Verletzungen hat der Kläger nicht bewiesen, dass sie ihm bei der Festnahme von den Beamten zugefügt worden sind. Dass sie ihm zehn Minuten lang die Halsschlagader abgedrückt haben und Hals und Arm verdreht haben, hat der Kläger nicht beweisen können. Die Ehefrau hat nur gesehen, dass der Kläger gefesselt war. Darüber hinaus hätte ein zehnminütiges Abdrücken der Halsschlagader wesentlich gravierendere Folgen gehabt, sodass der Vortrag des Klägers auch deshalb unglaubwürdig ist. Zu Recht hat das Landgericht auch darauf verwiesen, dass es gegen das Vorliegen schwerwiegender Verletzungen spricht, dass der Kläger schon kurz nach dem Streit gegenständlichen Vorfall auf der Leiter zum Taubenschlag anzutreffen war und kurz darauf selbstständig das Anwesen verlassen hat. Die vom Kläger im Berufungsrechtszug als Zeugen benannten Ärzte können nur Angaben zu den Verletzungen, nicht aber zu deren Ursache machen und waren deshalb nicht zu vernehmen.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Sachschadens aus § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG, weil die behaupteten Schäden nicht durch eine rechtswidrige Handlung entstanden sind. Vielmehr war die Durchsuchung gem. §§ 103, 105 StPO rechtsmäßig. Die Durchsuchung des Grundstücks Bruchhausen Nr. 6 a diente zur Ergreifung des Beschuldigten T. O. B. und dieser war eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verdächtig. Aufgrund des Verhaltens des Klägers durften die Beamten davon ausgehen, dass es sich bei der geflüchteten Person um den Beschuldigten handelte, der sich in das Gebäude Bruchhausen Nr. 6 a geflüchtet hatte (vgl. § 103 StPO). Da Gefahr im Verzug war, durfte die Durchsuchung nach § 105 Abs. 1 StPO auch durch die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Die Anordnung berechtigte auch dazu, die Durchsuchung mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen, also die Wohnung gewaltsam zu öffnen und dazu auch Türen aufzubrechen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage 2001, § 105 Randziffer 13).

III.

Entschädigungsansprüche wegen rechtsmäßigem, den Kläger gleichwohl beeinträchtigendem Verhalten, und zwar bezüglich des Personenschadens aus Aufopferung, bezüglich des Sachschaden aus enteignendem Eingriff oder nach § 55 Polizeigesetz, hat der Kläger nicht, denn der Kläger hat durch sein Verhalten selbst den Anschein der Störereigenschaft zurechenbar gesetzt und dadurch erst die polizeiliche Maßnahme verursacht. Wer aber durch sein Handeln den Anschein oder den Verdacht einer Gefahr erweckt, ist Störer im Sinne des Polizeigesetzes (Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Auflage 1986, Seite 668). Wer durch sein Handeln eine polizeiliche Gefahr oder Störung verursacht, muss die Maßnahmen hinnehmen, die zur Beseitigung der Gefahr erforderlich sind; seine Polizeipflicht ist Ausfluss seiner allgemeinen "Sozialpflichtigkeit" (BGHZ 60, 302, 304 Drews/ Wacke/ Vogel/ Martens, aaO) und kein Sonderopfer (Wolf/Stefan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Auflage 1995, § 55, Rz 11 am Ende).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,- DM nicht.

Ende der Entscheidung

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